Rheinische Post, 28. Mai 1996

 

Viermal Stadtansichten, ausgestellt im Kulturbahnhof Eller Vennhauser Allee

Städte - gänzlich ohne Menschen

Das Erscheinungsbild heutiger Städte haben sich vier Künstler zum Thema gewählt, die im Kulturbahnhof Eller (Vennhauser Allee 89) ausstellen. Städte wie Berlin, Düsseldorf, New York waren die Vorlagen für ganz unterschiedliche Ausdrucksformen.

 

Verlassene Straßenzeilen, endlose Häuserreihen mit toten Fenstern, zerfallene Mauern und Architekturen malt der Berliner Künstler Konrad Knebel (Jahrgang 1932) schon seit den 60er Jahren. Vernachlässigte Stadtteile Berlins, leerstehende Wohnblocks am Prenzlauer Berg nahe der Mauer hält er in düsteren Brauntönen fest.

 

Morbide und deprimierend wirken die leeren Häuser und Straßen; nirgends ein bißchen Leben, kein Mensch, kein Tier, keine aufmunternde Vegetation. In stilisierten, klaren Formen beschreibt Knebel das Bild einer anonymen Großstadt, Kälte und Melancholie spricht aus diesen Ansichten.

 

Im Gemälde "Drei Giebel" (Tempera, Öl) streben drei Häuserblocks wie gigantische Klötze in die Höhe, die Fronten mit ihren monotonen Fensterreihen und vorgesetztem Neoklassizismus ziehen den Blick die Häuserschluchten entlang; eine lange Mauer im Vordergrund dagegen hält wie eine mächtige Schranke den Betrachter fern. Kühle und Distanz ist allen Ansichten Knebels eigen - wie Kulissen erscheinen die verlassenen Architekturen. Konrad Knebel, geboren in Leipzig, studierte Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Kurt Robbel und Arno Mohr. Seit 1957 ist er als freischaffender Künstler tätig.

 

Alle im Kulturbahnhof ausgestellten Bilder haben eins gemein: die Stadtansichten bilden keine Bühne für menschliches Tun, der Bewohner spielt keine Rolle - oder geht er unter im Dschungel der Großstadt? So fehlt der Mensch auch in den Bildern der Düsseldorferin Astrid André (Jahrgang 1962). Er kommt nur vor in der Reklame, auf Plakaten, die all die Plätze zieren, wo sich für gewöhnlich Menschen sammeln. Haltestellen, Trinkhallen, Telefonzellen stehen im Mittelpunkt ihrer Motive, die einige Plätze Düsseldorfs aufgreifen.

 

In der Art eines Magischen Realismus bringt die Künstlerin ihre Umwelt auf die Leinwand. Klar und gegenstandsgetreu werden die Objekte zusammengefügt, die Büdchen, die Markise darüber, die Reklameständer, die Telefonzelle. Details gewinnen durch präzise-gestochene Darstellung ganz eigenen Reiz, so Spiegelungen der Telefonzellen, die ein Kunstwerk für sich bilden. Das Wort Kommunikation steckt in vielen Titeln, doch Mitteilung und Austausch beziehen sich auf die Zeichen der modernen Gesellschaft, auf die Werbung und die Technik; der Mensch selbst bleibt draußen. Klinisch rein und unantastbar bereitet sich die Bildwelt aus, schafft ihre eigene gefrorene Realität. Unschwer errät man, wessen Meisterschülerin Astrid André an der Kunstakademie war: Klaphecks. Als Steinwüste breitet sich New York auf Dorothea Gelkers Gemälden aus. Kein Himmel, keine Straßen, keine Menschen sind zu sehen, sondern Häuserwände mit unzähligen Fensterzeilen ziehen sich in endloser Schichtung über die Bildfläche, werden zu einer gerasterten Struktur, die durch ihre subtile Farbigkeit und Licht-Schattenspiele Leben gewinnt. Gelker, geboren 1958 in Altenberge, studierte in Münster bei Prof. Kuhna; sie lebt in Düsseldorf.

 

Der Berliner Künstler Rainer Kleinschmidt (Jahrgang 1938) fängt die Eindrücke, die er in New York sammelte, meist in der Bronx, in gestischen Reflexionen ein. Gedämpfte Farbschichten, Brüche, Risse, Durchblicke auf schemenhaft erkennbare Menschen und Architekturen assoziieren Verfall und weisen auf den sozialen Brennpunkt.

 

Kleinschmidt studierte an der Hochschule für bildende Künste Kassel und lebt in Gelsenkirchen. (Ausstellung bis zum 16. Juni; täglich außer montags, 15 - 19 Uhr.) (ILSE TJARDES)